Warum Zucker so verlockend ist

Geschrieben von Katharina Schipp
6 Minuten Lesezeit
24. Februar 2021 zuletzt aktualisiert am 24. Juni 2024 von Kimberly Werner
Zucker_Süßigkeiten_warum

Heißhunger, Naschlust, Appetit auf Süßes – wer kennt es nicht, wenn das Verlangen nach Zucker zuschlägt? Plötzlich drehen sich alle Gedanken nur nach um das Eine… das eine Stück Schoki oben im Regal hinten links. Umso größer ist die Befriedigung, wenn wir diesem inneren Druck nachgeben, die Laune hebt sich und ein wohliges Gefühl macht sich breit. Der Körper signalisiert: Lust auf mehr!

Süßes löst in uns einen Rausch aus, den wir kaum von anderen Lebensmitteln kennen. Umso schwerer fällt der Verzicht, wenn wir tagtäglich im Supermarkt von der Versuchung umgeben sind. Denn bei Zucker geht es um mehr als nur den Genuss – hier setzt unser Überlebensinstinkt ein. Warum Zucker so verlockend ist und welche Rolle dabei das Gehirn und unsere Entstehungsgeschichte spielen, könnt ihr in diesem Artikel erfahren. 

Inhaltsverzeichnis

    1. Zucker: Der schnelle Energieschub

    Warum müssen wir denn überhaupt essen? Ganz richtig, um unseren Körper mit Energie zu versorgen! Aber bevor das Steak, die Kartoffeln und der Salat tatsächlich dafür sorgen, dass wir beim Sport unsere Muskeln bewegen können, machen sie erst mal eine ganz schöne Verwandlung durch. 

    Der erste und häufig zeitaufwändigste Schritt ist die Zerkleinerung der Nahrung: zuerst mechanisch durch unsere Zähne, später durch die Magensäure und Gallensäfte. Komplexe Nährstoffe verweilen daher stundenlang in unserem Magen, bevor sie klein genug sind, um in das Blut aufgenommen zu werden. Hier seht ihr, wie lange uns die größten Nährstoffgruppen im Magen liegen:

    • Kohlenhydrate (Brot, Nudeln, Kartoffeln): Bis zu 2 Stunden
    • Proteine (Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte, Tofu): Bis zu 4 Stunden
    • Fett (Öle, Fette, Avocado, Nüsse): Bis zu 6 Stunden

    Die Kohlenhydrate brauchen am wenigsten Zeit, bis sie bereit für die Weiterreise sind. Dabei werden sie, Obacht, zu Zucker zersetzt! Wie ihr euch jetzt vorstellen könnt, ist Zucker also von Anfang an schon klein genug und muss diesen zeitaufwändigen Zwischenstopp gar nicht erst einlegen. Er rauscht direkt durch den Magen in den Darm, hinein in unser Blut und löst damit eine richtige Energieflut aus.

    Unsere Körperzellen feiern also erstmal Party und nehmen, mit Hilfe des fleißig produzierten Insulins, den Zucker direkt auf. Der ganze Körper wird auf diese Weise aktiviert und gelangt in den Nahrungsaufnahme-Modus. Da das Verdauungssystem nicht groß beansprucht wird, gibt es auch keinen Grund, trotz der hohen Energiemengen, die Sättigung einzusetzen. 

    2. Das Gehirn liebt Zucker

    Eines unserer Organe ist ganz besonders empfindlich, wenn es um Zucker geht: Unser Gehirn. Denn mit ca. 140 g Glucose am Tag ist unser zentrales Steuerorgan der Zuckerverbraucher Nummer 1 des Körpers. Glucose ist als alleiniger Energieträger dazu in der Lage, die äußerst strenge Passage zwischen dem Blut und dem Gehirn zu überqueren (Ausnahme: Ketonkörper). 

    Nachdem der Türsteher also sein Go gegeben hat, werden im Gehirn fleißig Glücksstoffe, wie Dopamin und Serotonin ausgeschüttet, denn Energie ist schließlich super! Je mehr Zucker aufgenommen wird, desto größer das Glücksgefühl. Aus diesem Grund wird der Effekt von Zucker auf das Gehirn zum Teil sogar mit dem von Drogen verglichen. Einige Experimente können das bestätigen: Im Test mit Ratten bevorzugten diese sogar Zuckerwasser gegenüber Kokain und legten ein ähnlich exzessives Konsumverhalten an den Tag. 

    So glücklich das Gehirn auf Süßes reagiert, so schwierig wird es, wenn der Zucker knapp wird. Dabei zeigt sich das Gehirn nicht von seiner solidarischsten Seite. Bei sinkendem Blutzucker kappt es kurzerhand die Insulinversorgung ab und sorgt somit dafür, dass außer bei ihm selbst in keinem anderen Organ oder Körpergewebe noch Zucker ankommt.

    Im Gegenteil, es sorgt jetzt dafür, dass vorhandene Reserven mobilisiert werden und stellt somit den eigenen Verbrauch sicher. Es handelt sich dabei um den so genannten Brain-Pull-Effekt. Zusätzlich werden noch Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin freigesetzt, um uns dazu zu bringen, doch bitte endlich wieder etwas zu essen, damit wir uns besser fühlen. Je mehr das Gehirn an eine konstante Zuckerzufuhr gewöhnt ist, desto schneller setzt dieses Unwohlsein ein. 

    3. Zucker schmeckt nach Überleben

    Jede unserer Sinneswahrnehmungen ist entstanden, um auf die eine oder andere Art unsere Überlebenschancen zu verbessern. Der Geschmack soll dabei helfen, unsere Nahrung einteilen zu können. In ihm stecken nämlich Informationen über Lebensmittel, die wir registrieren können, bevor wir das Ganze heruntergeschluckt haben und alles zu spät ist. Im Notfall konnten unsere Vorfahren die ominösen, bitteren Beeren also noch schnell ausspucken, um sich nicht mit ihnen zu vergiften.

    Bitter

    “Achtung Gefahr! Ich enthalte Giftstoffe. Spuck mich sofort wieder aus, sonst könnte das dein letzter Bissen gewesen sein!”

    Sauer

    “Ich muss leider noch ein bisschen weiter heranreifen, bis ich genießbar werde. Kann aber auch sein, dass ich von Mikroorganismen befallen bin. In jedem Fall würd ich‘s an deiner Stelle nicht drauf ankommen lassen!”

    Salzig

    “Ich enthalte Mineralien, die du brauchst, um zu funktionieren! Aber vorsichtig: Zu viel von mir und ich werde dir gar nicht gut bekommen.”

    Süß

    “Ich bring dir so richtig viel Energie! Mit mir wirst du’s weit bringen, ich sag’s dir! Der Winter kann kommen!”

    Umami

    “Ich enthalte ganz viel tolles Protein und werde dir dabei helfen so richtig fit und in Form zu kommen.”

    Besonders süß schmeckende Lebensmittel nimmt der Körper dankend an. Bereits als Babys werden wir an einen süßlichen Geschmack gewöhnt, denn auch die Muttermilch enthält den Milchzucker Lactose und schmeckt dadurch süßlich. Zusätzliche Kalorien in Form von Zucker konnten früher im Zweifelsfall unser Leben retten. Die für uns heute lästig erscheinenden Fettpölsterchen erfüllten damals einen wichtigen Zweck – sie halfen uns dabei, längere Fastenphasen zu überstehen und lieferten Energie in Zeiten des Hungers. Und wenn so eine Energiequelle erst einmal gefunden wurde, dann musste sie auch richtig ausgenutzt werden. Disziplin und Selbstbeherrschung war hier nicht gefragt. 

    4. Vom Zuckermangel in die Zuckerflut

    In 200.000 Jahren menschlicher Entstehungsgeschichte hatten wir es ständig mit Hungerphasen zu tun. Dabei hat sich unser Erbgut so angepasst, dass wir perfekt für den Nahrungsmangel gewappnet sind. Heute sind wir nicht mehr an die Welt angepasst – die Welt ist an uns angepasst. Wir sind umgeben von gezuckerten Getränken, gezuckerten Saucen, gezuckertem Brot und sogar gezuckertem Obst. Im Zeitalter der Zuckerrübe hatten wir noch keine Chance uns genetisch an diese neuen Lebensbedingungen und die damit verbundene, permanente Überversorgung anzupassen: Zucker ist für uns noch genauso verlockend wie vor 10.000 Jahren.

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    Der Artikel wurde geschrieben von

    Katharina Schipp

    Autorin dieses Artikels ist Katharina Schipp. Sie hat drei Jahre Ernährungswissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert. Nun unterstützt sie seit Januar 2021 das Team Foodpunk im Kundensupport und der Redaktion.

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