Das Fettgewebe? Das ist zum Speichern da. Es speichert Fett. Dies ist es, was die meisten Menschen über das Fettgewebe wissen. Aber wusstest du, dass dein Fettgewebe noch viel mehr kann? Den ganzen Tag über schüttet es Hormone aus. Mit dieser Fähigkeit ist es das größte hormonaktive Organ unseres Körpers.
Zuerst müssen wir klären, was denn „das Fettgewebe ist“. Es gibt weißes und braunes Fettgewebe. Das weiße Fettgewebe dient der Speicherung von Triglyceriden, also Fetten. Das braune Fettgewebe speichert weniger Fett, kann unserem Körper dafür wie eine Wärmflasche einheizen, Stichwort „Thermogenese“ – das soll uns aber ein anderes Mal beschäftigen. Heute reden wir von weißem Fettgewebe, vom Speicherfettgewebe. Dieses Fettgewebe besteht aus weißen Fettzellen (Adipozyten). Sie besitzen wie jede andere Zelle auch einen Zellkern, Mitochondrien und alle weiteren Bausteine menschlicher (tierischer) Zellen. Das Hauptmerkmal ist eine große Vakuole. Dies ist eine Aufbewahrungsstation für das Fett. Ein dicker fetter Fetttropfen, der Triglyceride enthält. Das bedeutet, nicht die ganze Zelle ist mit Fett gefüllt, sondern nur diese Vakuole. So kann in den anderen Bereichen der Zelle ungestört an der Zellteilung und anderen wichtigen Dingen gearbeitet werden. Die Vakuole nimmt den meisten Platz in der Zelle ein und alle anderen Zellbestandteile werden dadurch platt an die Zellmembran gequetscht. Zellkern in einem Adipozyten zu sein ist wahrscheinlich nicht die angenehmste Position. Aber gut, auch diesen Job muss jemand machen.
1. Das Fettgewebe enthält nicht nur Fettzellen
Das weiße Fettgewebe ist gut mit feinsten Äderchen – Blutkapillaren – durchzogen um die Versorgung der Zellen sicherzustellen und um den An- und Abtransport der Speicherfette zu ermöglichen. Neben Fettzellen tummeln sich im Fettgewebe auch Fibroblasten (Bindegewebszellen), Monozyten und Makrophagen (Zellen des Immunsystems).
2. Warum schüttet das Fettgewebe Hormone aus?
„… und wieso haben wir überhaupt Fettgewebe?“, könnte man denken „das ist doch ein ziemlich nerviges, unansehnliches Zeug“. Nope! Lass uns mal die Sichtweise umdrehen und das ganze aus der Sicht der Evolution durchdenken. Da sitzen ein paar Menschen ums Lagerfeuer und grillen ein Wildschwein. Jeder isst eine Portion, kaut jeden Bissen 30 Mal, trinkt zu jedem Bissen ein Glas Wasser, sagt „ich bin satt“ und sie lassen das restliche Wildschwein liegen, damit kein Völlegefühl entsteht. Die Wildschweinreste werden von anderen Tieren weggeschleppt. Am nächsten Tag entwickelt unser kleines Völkchen wieder Hunger, aber oh weh, Mutter Natur schickt ihnen heute kein Wildschwein vor die Nase. Der Hunger wird größer, sie fühlen sich schwach, werden müde und schlafen ein. Für immer. Sind wir uns einig, dass wir mit diesem System nicht weit kommen? Gut. Also brauchen diese Menschen etwas, womit sie Energie speichern können, solange etwas zu essen vorhanden ist. Ein Glück, dass es das Fettgewebe gibt. Unsere Menschen sitzen also um das Lagerfeuer, scheren sich einen Dreck ums Kauen und schlagen sich den Bauch richtig voll mit Wildschwein. Sie wissen nämlich nicht, wann sie das nächste Mal eines finden. Also immer rein damit. Am Ende sind sie pappsatt und schlafen glücklich ein. Einen Teil der Wildschwein-Energie verbrennen sie gleich wieder. Alles, was sie aktuell nicht brauchen, wird in Fett umgewandelt und im Fettgewebe gespeichert. Am nächsten Tag fangen sie kein Wildschwein. Aber das ist kein Problem, denn ihr Körper stellt um auf Fettverbrennung und Ketose und ihre Muskeln und Gehirne werden mit Energie aus dem Fettgewebe versorgt. Wenn die Speicher zur Neige gehen, wird der Hunger größer und damit der Drang, wieder etwas zu essen zu finden. Was genau da in unserem Körper passiert, kannst du in unserem Artikel “Was passiert im Stoffwechsel ohne Kohlenhydrate?” nochmal nachlesen.
Kennt der Hunger keine Grenzen?
Was, wenn die Wildschweine jeden Tag freiwillig vorbeikommen würden? Würde unser Völkchen dann Tag für Tag reinhauen und ihre Fettspeicher immer voller werden? Wohl kaum. Denn tief in ihrem inneren weiß ihre Biochemie, dass der Tag kommen kann, an dem keine Wildschweine mehr wie im Schlaraffenland vorbeitanzen. Dann heißt es jagen…. und mit 200 kg auf der Waage und wackelnden Fettspeichern jagt es sich irgendwie nicht so gut.
Deswegen hat die Evolution in unsere Körper jede Menge Regulationsmechanismen eingebaut. Damit wir zur richtigen Zeit unsere Speicher auffüllen und zur richtigen Zeit wieder damit aufhören, um bewegliche Menschen zu bleiben. Der wichtigste Regulationsmechanismus wird von einem Hormon aus dem Fettgewebe gesteuert: Leptin. Auch alle anderen Hormone und Substanzen, die das Fettgewebe ausschüttet dienen vor allem der Regulation: Sollen aktuell neue Fettzellen gebildet werden? Soll der Hunger ansteigen? Soll der Mensch da oben sich weniger bewegen?
Junk Food setzt die Regulation außer Kraft
Kleine Notiz am Rande: Ja, wir haben es erfolgreich geschafft, durch die „moderne Nahrung“ viele dieser Regulationsmechanismen außer Kraft zu setzen. Herzlichen Glückwunsch Lebensmittelindustrie! Deswegen ist die Aufgabe einer guten Ernährung außerdem, die hormonelle Regulation wieder in ihre natürlichen Bahnen zu bringen.
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3. Leptin - ein Hormon aus dem Fettgewebe
Das bekannteste Hormon, das von Adipocyten ausgeschüttet wird, ist Leptin. Es wird durch das „obese“-Gen kodiert. Vor über 60 Jahren wurde eher zufällig eine Labormaus entdeckt, die einfach immer dicker und dicker wurde. Während ihre Artgenossen nach angemessener Nahrungsaufnahme zu fressen aufhörten, aß die „ob/ob“ Maus immer und immer weiter. Grund war ein genetischer Defekt – dieser Maus fehlte das „obese“-Gen, welches die Information für Leptin enthält, darum auch ob/ob-Maus genannt (das Gen fehlte auf dem Chromosom von der Mutter, sowie auf dem Chromosom vom Vater, also war die Anomalie homozygot. Der Gendefekt wird rezessiv vererbt). Obwohl Mäuse mit diesem Gendefekt schon lange bekannt waren, wurde das Hormon Leptin erst 1994 entdeckt.
Leptin wird von weißen Fettzellen ausgeschüttet und bindet an Rezeptoren im Gehirn. Dort gibt es Auskunft darüber, wie groß die Fettspeicher aktuell sind. Sinken die die Fettspeicher, wird weniger Leptin produziert. Steigt die Menge der Reserven, wird mehr Leptin ausgeschüttet. Leptin blockiert im Gehirn die Ausschüttung zweier appetitstimulierender Substanzen (AgRP = agouti related protein und NPY = neuropeotide Y). Weniger appetitstimulierende Substanzen bedeutet weniger Appetit. Gleichzeitig stimuliert Leptin im Gehirn die Ausschüttung zweier appetitzügelnder Substanzen (POMC = Proopiomelanocortin und CART = Kokain- und Amphetamin-regulierendes Transkript). Leptin hat darüber also einen Effekt auf die Sättigung und das macht auch Sinn: Je mehr Reserven wir haben, desto weniger müssen wir nachfüllen. Wenn die Fettreserven zur Neige gehen sinkt die Leptinkonzentration und der Effekt kehrt sich um: Der Hunger steigt.
Zugleich stimuliert Leptin auch das sympathische Nervensystem und führt so dazu, dass der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz steigt und das braune Fettgewebe mehr Thermogenese betreibt. Der Energieverbrauch steigt an.
Im umgekehrten Fall sinkt der Energieverbrauch. Ah, da ist es: Das gefürchtete Absinken des Grundumsatzes! Bekommt man aber alles mit der richtigen (und ausreichenden) Ernährung wieder in den Griff.
Jetzt könnte man meinen: „Easy-peasy, wir können doch Leptin sicher im Reagenzglas herstellen und schwupps haben wir DAS perfekte Mittel zur Appetithemmung und zum Abnehmen“. Ja, da ist schon der ein oder andere drauf gekommen und hat übergewichtigen Menschen Leptin gespritzt. Und was ist passiert? Nüscht.
Stark übergewichtige Menschen haben jede Menge Fettgewebe. Jede Menge Fettgewebe bedeutet jede Menge weiße Fettzellen die jede Menge Leptin produzieren. Jede Menge Leptin in der Blutbahn, jede Menge Leptin im Gehirn… und trotzdem nehmen sie zu? Warum? An irgendeinem Punkt hat die Regulation versagt und es wurde das Gleichgewicht von Energieaufnahme und Energieverbrauch gestört. Zwei mögliche Gründe sind emotionales Essen und falsches Essen. Uns wird von Kindesbeinen an beigebracht, dass Essen mehr ist, als nur ein Mittel um Hunger zu stillen – also ignorieren wir unsere Sättigung einfach. Gleichzeitig setzt die Lebensmittelindustrie alles daran, immer süchtig machendere Produkte auf den Markt zu bringen. Das richtige Verhältnis von Zucker und Fett kann unsere natürlichen Sättigungsmechanismen sehr gut außer Kraft setzen. 50:50 ist so ein teuflisches Verhältnis. 50 % Kohlenhydrate, 50 % Fett…. Schokolade (Zucker + Kakaobutter), Chips (Kartoffeln + Öl), Eis (Zucker und Sahne)….
Wir ignorieren also den Sättigungseffekt oder er wird mit solchen Kombinationen umgangen. Wir nehmen zu, immer weiter zu – und irgendwann meldet sich der natürliche Hunger gar nicht mehr – alle schleusen sind offen und wir könnten den ganzen Tag nur Essen. Wieso?
Leptin. Leptin, besser gesagt eine Fehlfunktion der Leptinsignalübertragung ist der zugrundeliegende Steuermechanismus, wenn wir essen und essen können, egal wie viel es war und egal, wie voll unsere Reserven schon sind. Denn, wie oben beschrieben, steigt der Leptinspiegel bei steigenden Reserven immer weiter an. Wir könnten jetzt aufhören zu essen, weil wir satt werden, aber das tun wir nicht. Wir essen trotz Sättigung weiter, weil wir uns belohnen wollen, traurig sind, oder die Speisen „süchtig“ machen. Dann ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem Massen an Leptin im Körper sind. Das Gehirn bekommt kontinuierlich die Info „Hallo Gehirn, hier spricht das Fettgewebe, meine Zellen sind ausreichend gefüllt“. Das Gehirn stellt auf „satt“ aber nichts passiert. Es kommt mehr Fett ins Fettgewebe, die Zellen sind zum Bersten gefüllt und das Fettgewebe meldet „Hallo Gehirn. Hier ist dein Fett. Es reicht jetzt langsam“. Das Gehirn stellt auf „satt“ aber wir essen weiter. Damit die Fettzellen nicht platzen, expandiert das Fettgewebe, neue Fettzellen werden gebildet. „HALLO GEHIRN! Hier spricht dein Fettgewebe!!! Wir bekommen hier echt Platznot! Wäre sehr nett, wenn du endlich mal deinem Menschen sagen würdest, er soll aufhören zu fressen!“. Das Gehirn sagt dem Menschen „wir sind satt“. Mensch isst weiter, schmeckt doch so gut und die Oma hat’s gekocht. „EY GEHIRN! WENN DU JETZT NICHT BALD DAFÜR SORGST, DASS HIER RUHE IST, ALTER!“. Das Gehirn zurück „Ey Fett, jetzt pass mal auf. Ich sage diesem Menschen schon die ganze Zeit, dass er satt ist, was soll ich denn noch machen, ihm den Mund verbinden? Klasse, und von dir darf ich mich anschreien lassen. Ständig läufst du mit deinen Leptin-Kameraden hier auf. Weißt du was? Es reicht! Ihr könnt mich beide Mal. Du Fettgewebe, sprich mit der Hand, der Kopf hört dir nicht zu. Und du Mensch: Selbst schuld… dann friss halt weiter. Ich hab keinen Bock mehr. Ihr könnt das gerne aushandeln aber ohne mich“. Zack. Bumm. Leptinresistenz.
Leptinresistenz - wenn das Gehirn auf Durchzug stellt
Jetzt kann das Fettgewebe so viel Leptin ausschütten, wie es will. Die Info kommt nicht mehr im Gehirn an. Da bringt es auch nichts, wenn man diesem Übergewichtigen Menschen Leptin durch die Armbeuge spritzt. Die Info kommt nicht mehr an. Das Gehirn ist taub, hatte einen Hörsturz im Bezug auf Leptin und einfach keine Kraft mehr die Message aufzunehmen. Der Sättigungsmechanismus ist außer Kraft gesetzt. Und obwohl die Fettspeicher zum Bersten gefüllt sind… hat man Hunger und Hunger.
Diese Leptinresistenz kann nur rückgängig gemacht werden, indem die Fettreserven schwinden. Abnehmen, auf ein normales Gewicht. Denn erst, wenn das Leptingeschrei zurück geht, kann man das Gehirn dazu bringen, wieder zuzuhören. Du kannst ja auch schlecht dem Vogelgezwitscher lauschen, wenn neben dir der Presslufthammer den Asphalt aufschlägt. Sobald der Presslufthammer aber aufhört zu lärmen, müssen sich deine Ohren nur ein wenig beruhigen und du hörst die Vögel wieder. So ist auch eine Leptinresistenz – zum Glück – umkehrbar.
Bei Untergewicht wird massiv Energie gespart
So, aber nun ein ganz anderes Thema. Weg vom Übergewicht: Auch bei Untergewicht führt Leptin zu einer Regulation. Wenn man stark abnimmt oder die falsche (Crash-)Diät macht, sinkt der Leptinspiegel und das führt zu Heißhunger, damit die Reserven wieder aufgefüllt werden. Geht der Mensch diesem Hunger nicht nach, sondern nimmt weiter (ins Untergewicht ab), führt der sinkende Leptinspiegel dazu, dass weniger Energie verbraucht wird: Die Körpertemperatur sinkt, man friert, das Haarwachstum wird langsamer und die Reproduktionsfähigkeit wird eingestellt (die Periode bleibt aus). Leptin hat also einen immensen Effekt auf unseren Körper. Dieses Hormon aus dem Fettgewebe hat Einfluss auf nahezu jede Körperfunktion.
Ein Leben lang ketogene Diät? Nicht unbedingt ratsam
Übrigens: Bei zu kalorienarmer Diät oder starker Einschränkung der Kohlenhydrate, sinkt der Leptinspiegel schneller ab als die Fettreserven. Die Info „hier herrscht Notstand“ trifft im Gehirn ein, bevor überhaupt echter Notstand herrscht. Darum empfehle ich nie unter 1600 (gesunde Paleo-)Kalorien zu gehen, nur bei sehr inaktiven und zierlichen Personen können es mal 1400 als Minimum sein. Zudem muss man, sofern man eine kohlenhydratreduzierte Ernährung verfolgt, auf seinen Köper hören. Eine ketogene Ernährung empfehle ich für 30 Tag bis 3 Monate am Stück, bis alle Anpassungen stattgefunden haben. Danach sollte man aber einmal pro Woche, als Frau evtl. sogar zweimal pro Woche einen Refeed machen (an einem Abend in der Woche 150-300 g Kohlenhydrate aus Reis, Kartoffeln, Süßkartoffeln oder Kürbis essen), damit die Leptinausschüttung wieder stimuliert wird. So kann man eine ketogene Ernährung auch langfristig gesund durchziehen. Wenn man von einem höheren Gewicht kommt, können sogar 6-12 Monate am Stück problemlos sein, aber ich sehe mir hier immer gerne jeden Menschen individuell an und entscheide dann erst, wie lange am Stück eine ketogene Ernährung geeignet ist, und wann der Körper wieder einen Leptinschub durch Kohlenhydrate braucht.
4. Welche Hormone schüttet das Fettgewebe noch aus?
Das Fettgewebe schüttet etwa „Adipokine“ aus. So heißen die Hormone und Substanzen, die aus dem Fettgewebe ausgeschüttet werden). Neben Leptin sind andere Hormone Adiponectin, Resistin, Visfatin und Hepicidin. Sie beeinflussen und regulieren den Glukosestoffwechsel, den Fettstoffwechsel und das Hungergefühl.
Weitere Substanzen sind Entzündungsfaktoren, Gerinnungsfaktoren oder auch der Transkriptionsfaktor TNFα (TNF-alpha = Tumor Nekrose Faktor alpha). Diese Zytokine regeln vor alle die Differenzierung von Stammzellen zu weiteren Fettgewebszellen, aber stehen auch im Zusammenhang mit entzündlichen Erkrankungen, Diabetes Typ II und Gerinnungsstörungen.
Die Gesundheit liegt in der Mitte
Es sollte uns allen ein Anliegen sein, unsere Fettreserven in einem natürlichen Rahmen zu halten. Nicht zu viel und nicht zu wenig.
Viel Erfolg dabei!
Cheers, Marina
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Weiterführende Literatur:
Castracane, Henson. 2007. The Obese (ob/ob) Mouse and the Discovery of Leptin, Volume 25 of the series Endocrine Updates pp 1-9.
Daniel, Rehner. 2010. Biochemie der Ernährung, Springer Spektrum.
Ingalls et al. 1950. Obese, a new mutation in the house mouse, Journal of Heredity.
Neumann et al., Adipozytokine als treibende Faktoren bei rheumatoider Arthritis, Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.