Dieser Artikel ist im LCHF-Magazin Ausgabe 01/2018 erschienen.
Alle Infos zum LCHF-Magazin findest du auf der LCHF-Deutschland-Website.
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Eine Entzündung ist ein lebensnotwendiger Mechanismus zum Schutz der Gesundheit. Verschiedene Faktoren können eine Entzündung auslösen, darunter Bakterien, Viren, Chemikalien, Gewebeschäden (Verletzung) oder physikalische Reize (Druck, unterschiedliche Temperaturen). Registriert der Körper ein solches Problem, wird in kürzester Zeit eine komplexe Immunantwort aktiviert und eine Entzündung entsteht. Botenstoffe des Immunsystems koordinieren eine Erweiterung der Gefäße, um höhere Mengen Blut an die „Unfallstelle“ zu lassen. Dadurch steigt die Temperatur im entzündeten Bereich und die Stelle erscheint gerötet. Abwehrzellen des Immunsystems (Granulozyten, Lymphozyten, Makrophagen) bekämpfen nun Bakterien oder Fremdkörper.
Je nach Bedarf, steuert der Hypothalamus auch einen Temperaturanstieg um ein paar Grad, was wir als Fieber wahrnehmen. Ist die Ursache des Problems bekämpft, gehen die Entzündungszeichen Stück für Stück zurück. Das Fieber sinkt, die Rötung klingt ab und die Schwellung geht zurück.
Ebenso wichtig, wie die schnelle Reaktion und die schnelle Aktivierung der Immunantwort ist es, dass der Körper die Fähigkeit besitzt, die Immunantwort im richtigen Moment wieder zu stoppen.
Inhaltsverzeichnis
Gelingt es nicht, die Immunantwort im richtigen Moment wieder zu stoppen, kann es durch die andauernde Aktivität der Immunzellen zu einer Schädigung körpereigenen Gewebes kommen. Die „Waffen“ der Immunzellen, die sie gegen Endringlinge verwenden, sind unter anderem reaktive Sauerstoffspezies (ROS), die fast wie „Geschosse“ verwendet werden. Diese ROS können ebenso gut unsere eigenen Zellen schädigen.
Versagt der komplexe Mechanismus zur normalen Eingrenzung der Immunreaktion, können chronische Erkrankungen entstehen. Hierzu zählen Autoimmunerkrankungen wie multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis oder Diabetes Typ 1, aber auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa.
Oft liest man, dass Betroffene bestimmter entzündlicher Erkrankungen zu einer LCHF- bzw. ketogenen Ernährung greifen, um einen antientzündlichen Effekt zu erzielen.
Um beurteilen zu können, ob eine solche Ernährung einen Effekt auf das Entzündungsgeschehen haben kann, muss man die zugrundeliegenden Mechanismen verstehen. Diese gehen bis auf Transkriptionsebene hinunter – also auf die Ebene der Genregulation. Transkriptionsfaktoren regulieren, welches Gen abgelesen wird und welches nicht.
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Eine zentrale Rolle im Entzündungsgeschehen spielt der Transkriptionsfaktor NF-κB (sprich „NF-kappaB“). Er reguliert einige Gene, die für die Bildung von Enzymen und Botenstoffen der Immunantwort verantwortlich sind. Die Aktivität von NF-κB verstärkt so die Bildung von Interleukinen (z.B. IL-6). Das sind Botenstoffe, die Immunzellen stimulieren.
Über die Aktivierung der Bildung des Enzyms Cyclooxygenase fördert NF-κB die Bildung von Prostaglandin-E2, einem Botenstoff, der unter anderem die Schwellung von Geweben, erhöhtes Schmerzempfinden oder Fieber bewirkt.
Aufgrund seiner proinflammatorischen Wirkung wird erforscht, wie durch eine Hemmung des Transkriptionsfaktors ein Rückgang der Entzündung erreicht werden kann. Es werden Medikamente entwickelt, die die Aktivierung von NF-κB verringern. Dazu gehören unter anderem sogenannte TNF-Hemmer, die einige Stufen weiter vorne im Signalweg den sogenannten Tumornekrosefaktor (TNF) hemmen. TNF aktiviert NF-κB. Wird TNF gehemmt, wird auch die Aktivität von NF-κB reduziert. So entfaltet z.B. der medizinische Wirkstoff Adalimumab seine Wirkung – ein TNF-Hemmer, der bei Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn eingesetzt wird.
Wie schon deutlich wird, ist die Regulation dieser Signalwege höchst komplex und läuft in verschiedenen Schritten ab. Verschiedenste Rezeptoren und Botenstoffe sind beteiligt und an jeder einzelnen Stelle des Signalweges kann ein Baustein gehemmt oder aktiviert werden.
Spannend im Zusammenhang mit ketogener Ernährung ist die Feststellung, dass eine Kalorienreduktion die Bildung (Expression) von NF-κB blockieren und so Entzündungsreaktionen reduzieren kann1,2. Die ketogene Ernährung zeigte in verschiedenen Studien mit Kalorienreduktion vergleichbare Effekte3,4. Auf biochemischer Ebene haben beide ernährungstherapeutischen Ansätze ähnliche Wirkmechanismen.
In einer Studie der University of California von 2017 wurde untersucht, durch welche Wirkmechanismen eine Kalorienreduktion und ketogene Ernährung eine Immunreaktion beeinflussen5. Die Studie gab Aufschluss darüber, dass dem Energiestoffwechsel der Zelle eine zentrale Rolle zukommt. Sowohl ketogene Ernährung als auch Kalorienrestriktion zeichnen sich durch eine geringere Aufnahme an Glucose und einen geringeren Glucosestoffwechsel aus. Durch die Abwesenheit von Glucose wurde in den Zellen der untersuchten Ratten der Energiestoffwechsel so verändert, dass der Signalweg von NF-κB gehemmt wurde, was die pro-entzündlichen Wirkungen von NF-κB unterband.
Umgekehrt wird bei hoher Glucoseverfügbarkeit der pro-entzündliche Signalweg aktiviert. Kurzum: Glucose fördert Entzündungen, die Abwesenheit von Glucose hemmt entzündliche Prozesse.
Andere Studien, insbesondere zur Untersuchung des Einflusses ketogener Ernährung auf neurodegenerative Erkrankungen (u.a. Alzheimer, Multiple Sklerose), zeigen weitere Wirkmechanismen einer ketogenen Ernährung, die ebenfalls für den anti-entzündlichen Effekt verantwortlich sein können.
So produziert der Ketonkörperstoffwechsel zum Beispiel im Vergleich zum Glucosestoffwechsel weniger freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies (ROS)6.
Durch die hohe Fettaufnahme bei ketogener Ernährung wird, wenn diese richtig zusammengesetzt ist, auch eine erhöhte Menge an anti-entzündlichen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3) aufgenommen. Diese können über die Bindung an spezielle Rezeptoren (PPARs) Entzündungsreaktionen verringern7. Auch dieser Effekt scheint über eine Wirkung auf NF-κB zustande zu kommen.
Die kompletten Wirkmechanismen der Interaktion von ketogener Ernährung und Entzündung sind noch nicht beleuchtet, insbesondere nicht in Humanstudien. Die aktuelle Studienlage, sowie Erfahrungsberichte von Betroffenen chronisch entzündlicher Erkrankungen, zeigen aber ein interessantes Potential. Da eine ketogene Ernährung, richtig zusammengesetzt, weitere positive Effekte hat und mit geringen Risiken behaftet ist, ist diese Art der Ernährung für Betroffene eine vielversprechende Möglichkeit Beschwerden zu lindern.
Im verlinkten Artikel habe ich die ketogene Ernährung, ihre Zusammensetzung und den Einstieg beschrieben. Daneben findest du auf unserem Blog weitere Hintergrundartikel zu ketogener Ernährung. In der Rubrik „Rezepte“ findest du ketogene Rezepte. Wer eine umfassendere Begleitung zum Einstieg möchte, kann mein Buch „Low Carb typgerecht“ wählen oder sich einen individuellen Ernährungsplan erstellen lassen.
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Foto: Shutterstock / nobeastsofierce
1Jung KJ et. al. 2009. Effect of short term calorie restriction on pro-inflammatory NF-kB and AP-1 in aged rat kidney. Inflamm Res. 58(3). 143-50.
2Tiernan J et. al. 2011. Influence of Caloric Restriction on Constitutive Expression of NF-κB in an Experimental Mouse Astrocytoma. PLoS One. 6(3). e18085.
3Maalouf M et. al. 2009. The neuroprotective properties of calorie restriction, the ketogenic diet, and ketone bodies. Brain Res Rev. 59(2). 293-315.
4Veech RL et. al. 2017. Ketone bodies mimic the life span extending properties of caloric restriction. IUBMB Life. 69(5). 305-314.
5Shen Y. et. al. 2017. Bioenergetic state regulates innate inflammatory responses through the transcriptional co-repressor CtBP. Nat Commun. 8(1). 624.
6Veech RL. 2004. The therapeutic implications of ketone bodies: the effects of ketone bodies in pathological conditions: ketosis, ketogenic diet, redox states, insulin resistance, and mitochondrial metabolism. Prostaglandins Leukot Essent Fatty Acids. 70. 309–319.
7Cuzzocrea S et. al. 2003. Reduction in the evolution of murine type II collagen-induced arthritis by treatment with rosiglitazone, a ligand of the peroxisome proliferator-activated receptor gamma. Arthritis Rheum. 48(12). 3544-56.
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