Was passiert beim Essen ohne Kohlenhydrate?

Geschrieben von Marina Lommel
6 Minuten Lesezeit
26. Februar 2015 zuletzt aktualisiert am 15. September 2025 von Kimberly Werner
Zeichnung, Arzt, der eine Leber in den Händen schweben lässt. Stichwort Essen ohne Kohlenhydrate

Hilfe! Wenn wir essen ohne Kohlenhydrate zu uns zu nehmen werden wir alle sterben!! Das Gehirn braucht Zucker, Zucker, Zucker. Sonst heißt es Alaaaarm in den grauen Zellen!!! Der Stoffwechsel geht kaputt!

Nene, jetzt mal halblang. Keine Panik auf der Titanic. Unsere Spezies hätte nicht über hundert tausende von Jahren hinweg überlebt, wenn unser Körper so empfindlich wäre. In vielen Gebieten der Erde gab es wenig bis gar keine Kohlenhydrate. Außerdem gab es immer wieder längere Zeiten, in denen unsere Vorfahren ganz ohne Nahrung auskommen mussten.

Inhaltsverzeichnis

    Was im Stoffwechsel passiert, wenn wir Essen ohne Kohlenhydrate zu uns nehmen, ist ähnlich wie beim Fasten. Bei „Nahrungskarenz“ wie der Ernährungswissenschaftler sagt, passiert folgendes:

    1. In mehreren Phasen stellt sich der Stoffwechsel um

    Nach einer gemischten Mahlzeit aus Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten befindet sich der Stoffwechsel in der sogenannten „absorptiven Phase“, der Magen-Darm-Trakt verdaut und resorbiert die Nährstoffe der Mahlzeit. Die aufgenommenen Bestandteile des Essens werden entweder in den Körper eingebaut, gespeichert oder zu Energie verbrannt. Diese Phase ist „anabol“, das bedeutet nichts anderes als „körpereigene Strukturen aufbauend“. Je nachdem wie groß die Mahlzeit war und welche Zusammensetzung sie hatte, hält die absorptive Phase um die 3 Stunden an. Durch die Mahlzeit wurde Insulin ausgeschüttet weshalb das Verhältnis von Insulin zu seinem Gegenspieler Glukagon hoch ist. Man spricht von einer hohen Insulin/Glukagon-Ratio. Dieses Verhältnis fördert anabole Prozesse. Dazu gehört der Einbau von Aminosäuren in die Muskulatur, aber auch die Synthese von Glykogen zur Speicherung von Glukose in der Leber oder die sogenannte Lipogenese, die Speicherung von Fett als Energiequelle „für schlechte Zeiten“.

    2. Das Verhältnis von Insulin zu Glukagon ist entscheidend

    Wenn alle Nährstoffe vollständig resorbiert wurden, tritt der Stoffwechsel in die sogenannte postabsorptive Phase ein, die Phase „nach (post) der Absorption“. Dann sinken allmählich der Blutglukosespiegel und der Insulinspiegel. Der Glukagonspiegel hingegen steigt und somit sinkt das Verhältnis von Insulin zu Glukagon. In der postabsorptiben Phase ist die Insulin/Glukagon-Ratio geringer als in der absorptiven Phase. Die hormonellen Veränderungen regen die Zellen der Leber, gennant Hepatocyten, zum Abbau des Glykogens an. Glykogen ist wie, bereits erwähnt, die Speicherform von Glukose. Beim Abbau des Glykogens, der sogenannten Glykogenolyse, wird wieder Glukose freigesetzt.

    3. Bei der Gluconeogenese stellt der Körper Glukose aus Aminosäuren her

    Während sich der Glykogenspeicher langsam leert, führt das geringere Verhältnis von Insulin zu Glukagon auch zur Gluconeogenese, bei der Glukose aus Aminosäuren neu aufgebaut wird. Zudem werden die Fettspeicherzellen, genannt Adipocyten, zur Zerkleinerung und Freisetzung von Fett angeregt, der Lipolyse. Der absinkende Blutzuckerspiegel führt zur Freisetzung von Adrenalin, was zusätzlich die Lipolyse in den Adipocyten fördert.

    4. Fettsäuren versorgen das Muskelgewebe mit Energie

    Wenn die Glukosespeicher in der Leber und der Muskulatur geleert sind, werden Fettsäuren der Hauptenergielieferant für die Muskeln. Nur einige wenige Gewebe benötigen zu diesem Zeitpunkt dennoch Glukose, darunter das Gehirn und die roten Blutkörperchen. Die benötigte Glukosemege wird nun durch die Gluconeogenese gedeckt, also durch den Aufbau von Glukose aus Aminosäuren.

    5. Der Körper schont seine Proteinreserven

    Anschließend an die postabsorptive Phase tritt etwa 24 Stunden nach der Mahlzeit die frühe Hungerphase ein. Wenn weiterhin keine Nahrung aufgenommen wird, begibt sich der Stoffwechsel etwa 5 Tage nach der letzten Nahrungsaufnahme in die adaptierte Hungerphase. In der frühen Hungerphase ist der Abbau körpereigener Proteinreserven zum Zweck der Gluconeogenese relativ hoch. Allein das Gehirn benötigt 110-130 g Glukose pro Tag. Ein andauernder Abbau des Körperproteins in dieser Geschwindigkeit würde rasch zum Tod des Fastenden führen. Deshalb sind proteinsparende Mechanismen für das Überleben während der Fastenperiode zwingend nötig.

    6. Der ketogene Stoffwechsel war ein Überlebensvorteil in der Evolution

    Damit der Abbau körpereigener Proteinreserven minimiert werden kann, beziehen alle Organe, die nicht zwingend Glukose benötigen, ihre Energie mehr und mehr aus Fettsäuren. Das Gehirn benötigt in einer „nicht ketogenen“ Stoffwechsellage Glukose.

    Bei langanhaltendem Kohlenhydratmangel durch Fasten oder bewussten Verzicht beim Essen ohne Kohlenhydrate, kann es aber einen Großteil seines Energiebedarfs statt durch Glukose durch Ketonkörper decken. Ketonkörper werden in der Leber aus Fettsäuren synthetisiert. Das Gehirn lernt in einer Anpassungsphase allmählich diese Ketonkörper zu verwerten. Dadurch sinkt der Glukosebedarf ab und weniger körpereigenes Protein muss zur Gluconeogenese abgebaut werden. Ketonkörper schützen Protein.

    7. In einer Adaptionsphase lernt der Körper die Fähigkeit zu Ketogenese und Ketolyse

    Mit fortschreitender Anpassung an das Fasten steigt die Ketonkörperkonzentration durch die Ketogenese in der Leber immer weiter an. So gelangen Ketonkörper in den Blutkreislauf und an die Organe wie Gehirn oder Muskulatur. Diese erkennen den neuen Treibstoff und lernen die Ketonkörper zu Energie zu verwerten – über den Vorgang, der sich Ketolyse nennt. Der Körper befindet sich in der adaptierten Hungerphase in einer ketogenen Stoffwechsellage und in Ketose. Bei Erwachsenen stellt sich Ketose nach einigen Tagen Fasten ein, bei Kindern innerhalb weniger Stunden.

    8. Fasten und Ernährung ohne Kohlenhydrate haben sehr ähnliche Effekte

    Dies passiert also beim Fasten. Beim Verzicht auf Kohlenhydrate sieht der Vorgang im Stoffwechsel fast genauso aus. Die Adaption geht nur ein wenig langsamer, da noch Protein und Fett zur Verwertung zur Verfügung steht. Die „ketogene Diät“ heißt deshalb so, weil bei ihr Ketonkörper produziert werden.

    Erreiche deine Ziele mit deinem personalisierten Ernährungsplan

    Du willst endlich Veränderungen sehen? Mit Foodpunk bekommst du einen maßgeschneiderten Ernährungsplan, der sich nach dir richtet – deiner Gesundheit, deinen Vorlieben und deinem Alltag.

    • Von Ernährungswissenschaftlern entwickelt – wissenschaftlich basiert
    • Persönliche Betreuung & deutscher Support – Experten an deiner Seite
    • Einfache Handhabung – intuitive App oder Webanwendung
    • Flexibel & alltagstauglich – abwechslungsreiche, saisonale Rezepte

    Wähle deine Laufzeit & starte jetzt:

    Persönliches Ernährungsprogramm
    12 Monate Mitgliedschaft
    jährlich kündbar
    64% gespart
    129,99 €
    359,88 €
    pro Jahr
    Persönliches Ernährungsprogramm
    6 Monate Mitgliedschaft
    alle 6 Monate kündbar
    44% gespart
    99,99 €
    179,94 €
    pro 6 Monate
    Persönliches Ernährungsprogramm
    3 Monate Mitgliedschaft
    alle 3 Monate kündbar
    33% gespart
    59,99 €
    89,97 €
    pro 3 Monate
    Persönliches Ernährungsprogramm
    1 Monat Mitgliedschaft
    monatlich kündbar
    29,99 €
    pro Monat

    Der Artikel wurde geschrieben von

    Marina Lommel

    Marina gründete Foodpunk nach ihrem Abschluss in Ernährungswissenschaften und ist aktuell CEO des Unternehmens. Während ihres Studiums arbeitete sie in verschiedenen Bereichen, darunter in der Wissenschaftsredaktion beim Radio, Redaktion beim TV und Uni-Wissensmagazin sowie im Labor am DZNE in der Parkinsonforschung. Marina ist außerdem Autorin von 5 ernährungswissenschaftlichen Sachbüchern.

    Ähnliche Beiträge von Foodpunk

    Kalorien zählen - Wirklich sinnvoll zum Abnehmen?
    6 Minuten Lesezeit

    Kalorien zählen – Ist das wirklich der Schlüssel zum Abnehmen?

    Kalorien zählen allein reicht nicht aus – die Nährstoffqualität spielt eine entscheidende Rolle für deinen Stoffwechsel, deine Hormone und dein Sättigungsgefühl. Erfahre, warum nicht jede Kalorie gleich ist und wie eine ausgewogene Ernährung langfristig beim Abnehmen hilft.

    shutterstock 84125749
    5 Minuten Lesezeit

    Erfahrungen mit ketogener Ernährung

    Martina und Nanette erzählen von ihren Erfahrungen mit ketogener Ernährung.

    Paleo Low Carb Keto
    8 Minuten Lesezeit

    Was ist der Unterschied zwischen Paleo, Low Carb und Keto?

    Schluss mit der Verwirrung! Hier liest du, was hinter Paleo, Low Carb und Keto steckt. Was sind die Unterschiede? Was die Gemeinsamkeiten? Welche Ernährung ist die Richtige?

    Frauen mit Lipödem
    12 Minuten Lesezeit

    Lipödem: Wenn Fettzellen außer Kontrolle geraten

    Nimmst du an den Beinen immer mehr zu, obwohl du Sport machst und auf deine Ernährung achtest? Hast du oft Schmerzen bei Berührung oder Schwellungen, die im Laufe des Tages immer schlimmer werden? Eine Möglichkeit, die du vielleicht noch nicht bedacht hast: Diagnose Lipödem.

    Keto Diät Diabetes
    4 Minuten Lesezeit

    Diabetes und Keto

    Hilft Keto bei Diabetes? Sollte jeder Diabetiker eine ketogene Ernährung verfolgen? Lies in unserem Artikel was es zu beachten gibt.

    Was du mit deinem Ernährungsplan zum Muskelaufbau essen darfst.
    10 Minuten Lesezeit

    Ernährungsplan zum Muskelaufbau: Was du für dein Muskelwachstum essen solltest

    Du möchtest Muskeln aufbauen und am besten gleichzeitig Fett verlieren? In diesem Artikel erfährst du, wie ein optimierter Ernährungsplan zum Muskelaufbau aussehen kann, welche Makronährstoffe entscheidend sind und wie du deine Mahlzeiten optimal planst.

    ketogene Diät
    23 Minuten Lesezeit

    10 Gründe für die ketogene Diät

    Weniger Heißhunger, bessere Haut, besserer Schlaf. Die wichtigsten Gründe für die ketogene Diät und die perfekte Anleitung für den Start.

    Lachs Spargel für Fatburn
    7 Minuten Lesezeit

    Alles über Lachs: Ein wahres Superfood

    Gesundheitliche Vorteile, Tipps für den Einkauf und die Zubereitung: hier findest du alles, was du über den leckeren Speisefisch Lachs wissen solltest.

    Ernaehrung-fuer-gesunde-Haare_Titelbild
    20 Minuten Lesezeit

    Die richtige Ernährung für gesunde Haare

    Haare können glänzend oder stumpf, vital oder trocken aussehen. Sie können abbrechen oder splissige Enden bekommen. Haare können ergrauen oder ausfallen. Die Industrie tut viel dafür, neue “Wundermittel” für glänzende, volle und frische Haare auf den Markt zu bringen. Aber weißt du, welches Wundermittel oft übersehen wird? Deine eigene Ernährung. Wie die richtige Ernährung für gesunde Haare aussieht, erfährst du hier!