16. April 2021
zuletzt aktualisiert am 2. September 2024 von Kimberly Werner
Der Körper bekämpft sich selbst- und jetzt? Bei der Autoimmunkrankheit Hashimoto Thyreoiditis beginnt das Immunsystem, die Schilddrüse als körperfremd zu registrieren und zu bekämpfen. Dabei ist sie in keiner Weise schädlich, sondern versorgt den Körper mit lebenswichtigen Hormonen, die den Stoffwechsel und das Wohlbefinden maßgeblich beeinflussen.
Die daraus folgende Schilddrüsenunterfunktion erzeugt einen Hormonmangel, der oft nur mit Hilfe von Medikamenten in den Griff gebracht werden kann. Gibt es einen Weg, diesem Prozess durch die Ernährung vorzubeugen?
Das Immunsystem bewacht unseren Körper. In einigen Fällen wird es aber etwas zu misstrauisch und beginnt Dinge zu bekämpfen, von denen eigentlich keine Gefahr ausgeht. Das ist zum Beispiel bei Allergien der Fall, ebenso bei Autoimmunkrankheiten wie Diabetes Mellitus Typ 1 oder eben Hashimoto Thyreoiditis.
Ob deine Schilddrüse richtig arbeitet, kannst du herausfinden, indem du z. B. beim Arzt deine Schilddrüsenwerte checken lässt oder zuhause mit einem Test z. B. bei Cerascreen.
Solltest du von Hashimoto betroffen sein, ist es wichtig, das Immunsystem in Schach zu halten und Lebensmittel zu vermeiden, die es in Aufruhr versetzen könnten. Verschiedene Lebensmittel können eine Reaktion des Immunsystems hervorrufen. Auch wenn einige Unverträglichkeiten besonders häufig im Zusammenhang mit Hashimoto auftreten, heißt das nicht, dass jeder auf sie verzichten muss.
Es lohnt sich allerdings, beim Arzt einen Test auf Unverträglichkeiten machen zu lassen oder für eine bestimmte Zeit auf Unruhestifter zu verzichten, um zu erfahren, ob der Körper von dem Verzicht profitiert.
Verdächtigter Nr. 1: Gluten. Eine Unverträglichkeit gegen Gluten, die so genannte Zöliakie, tritt bei von Hashimoto Betroffenen bis zu 10-mal häufiger auf, als bei Personen mit gesunder Schilddrüse.
Der Weizenkleber kann unter Umständen im Darm das “Leaky Gut”-Syndrom auslösen, auf gut deutsch “löchriger Darm”. Dabei wird die Darmbarriere angegriffen und durchlässig für kleine Nahrungsbestandteile oder Bruchstücke unserer Darmflora.
Im Blutkreislauf sind diese natürlich absolut unerwünscht und es kommt zu einer gesteigerten Immunantwort und der Produktion von Immunzellen. Das Perfide daran: Die Antikörper, die das Gluten erkennen und daraufhin das Immunsystem aktivieren sind strukturell sehr ähnlich zu denen, die die Schilddrüse als “Angreifer” erkennen. Hier besteht also Verwechslungsgefahr!
Auch auf Milchprodukte und Hülsenfrüchte kann das Immunsystem eventuell reagieren. Aber auch hier gilt: Probieren geht über Studieren. Wenn es für das Wohlbefinden keinen Unterschied macht, muss auch nicht verzichtet werden. Anders sieht es bei Alkohol und Zucker aus. Auf die sollte in jedem Fall verzichtet werden, denn sie wirken entzündungsfördernd und feuern das Immunsystem noch weiter an.
Auch wenn sie keinen Einfluss auf das Immunsystem nehmen, wird den so genannten goitrogenen Lebensmittel eine schilddrüsenhemmende Wirkung zugeschrieben. Dazu zählen hauptsächlich Gemüsesorten der Kreuzblütlerfamilie, nämlich Kohlsorten wie Brokkoli, Blumenkohl oder Chinakohl, Rüben und Rettiche und Kresse.
Es ist allerdings umstritten, wie stark der Effekt tatsächlich ausfällt und ob die gesundheitlichen Vorteile dieser Gemüsesorten nicht die Nachteile überwiegen. Auch gut zu wissen: Im gekochten Zustand verfällt die goitrogene Wirkung. Hier sollte also nur darauf geachtet werden, keine Riesenportionen im rohen Zustand zu verzehren.
Keto, Low Carb oder doch Kartoffeln bis zum Abwinken? Welche Kohlenhydratmenge ist am Besten geeignet, um Hashimoto in Schach zu halten? Ein komplexes Thema, mit dem wir uns bereits in unserem Artikel “Low Carb Ernährung bei Schilddrüsenproblemen” befasst haben. Da Hashimoto aber keine normale Schilddrüsenunterfunktion ist, müssen noch mehr Punkte mit betrachtet werden.
Vorteile von geringer Kohlenhydratmenge (z. B. Keto) bei Hashimoto
Die ketogene Ernährung mit einer sehr geringen Kohlenhydratmenge wirkt entzündungshemmend. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie das Immunsystem entlastet und sich damit positiv auf Autoimmunerkrankungen auswirkt.
Zusätzlich stellen zu viele Kohlenhydrate eine Belastung für das Hormonsystem dar: Wenn der Insulinspiegel Achterbahn fährt, braucht es eine Menge an Hormonen, beispielsweise Insulin und Glukagon, um ihn wieder entsprechend zu regulieren.
Zwar betrifft das in erster Linie die Bauchspeicheldrüse, allerdings greifen die Hormone des Körpers ineinander über und beeinflussen sich stark gegenseitig, wodurch auch die Schilddrüse belastet wird.
Wichtig ist es also, nur eine geringe Menge an Kohlenhydraten aufzunehmen sowie Kohlenhydratquellen zu wählen, die den Blutzuckerspiegel kaum oder nur nur wenig beeinflussen. Eine tolle Quelle sind beispielsweise ballaststoffreiche Gemüsesorten, die zugleich jede Menge toller Mikronährstoffe wie Vitamine liefern.
Vorteile von moderater Kohlenhydratmenge (z. B. Low Carb) bei Hashimoto
Kohlenhydrate dienen uns nicht nur als Energiequelle, sondern sind nebenher noch ein wichtiger Baustoff für verschiedenste Botenstoffe im Körper. Dazu zählen auch Hormone, die die Schilddrüse betreffen. Wenn diese von vornherein schon nicht gut funktioniert, dann aber auch noch das Baumaterial Mangelware ist, kann sich eine Schilddrüsenunterfunktion, die häufig mit Hashimoto einhergeht, nochmal verstärken.
Kohlenhydrate haben außerdem eine anregende Wirkungauf die Hypophyse: Der Hormonbildner direkt am Stammhirn bildet das Hormon TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon), das als Initiator für die Schilddrüsenaktivität funktioniert. Das bedeutet, Kohlenhydrate haben eine anregende Wirkung auf die Schilddrüse.
Ebenfalls einen wichtigen Einfluss haben die Ballaststoffe, die meist aus unverdaulichen Kohlenhydraten bestehen. Denn sie sind essenziell für eine gesunde Darmflora. Die kleinen Einzeller in unserem Darm können unsere Darmbarriere schützen und dabei helfen, Probleme wie das Leaky-gut-Syndrom und unnötige Belastungen für das Immunsystem zu verhindern.
Am Ende ist jeder Mensch individuell. Die richtige Mengenzufuhr an Kohlenhydraten kann in Zusammenarbeit mit den Foodpunk-Ernährungsexperten ermittelt werden.
Funfact: Die Schilddrüse ist das selenhaltigste Organ unseres Körpers. Und das nicht ohne Grund, denn das Mineral erfüllt gleich mehrere wichtige Funktionen für das Schmetterlingsorgan.
Zum einen ist es ein Bestandteil der Deiodinase: Ein wichtiges Enzym, das für die Aktivierung der produzierten Schilddrüsenhormone Verantwortung trägt. Fehlt Selen, kann die Deiodinase ihre Funktion nicht erfüllen und die Schilddrüsenfunktion wird vermindert. Zum anderen wird es von dem antioxidativen Enzym Glutathion gebraucht, um freie Radikale unschädlich zu machen.
Diese hochreaktiven Sauerstoffspezies entstehen beispielsweise durch Stress, Alkohol oder hohe Sonneneinstrahlung und können eine Menge Schaden in der Zelle anrichten. Ihnen wird außerdem eine maßgebliche Beteiligung am Alterungsprozess zugeschrieben.
Normalerweise keine gern gesehenen Besucher, aber in der Schilddrüse wird das hochreaktive Wasserstoffperoxid für die Oxidation von Jodid zu Jod benötigt. Dennoch ist es wichtig, die freien Radikale an der Stelle in Schach zu halten, denn ein Überschuss kann die Schilddrüse weiter schädigen.
Du kannst dein Selen am besten mit Paranüssen, Fisch, Fleisch oder Eiern aufstocken. Auch einige Gemüsesorten, zum Beispiel Brokkoli oder Zwiebeln, können je nach Anbaugebiet nennenswerte Mengen Selen enthalten.
Vitamin D
Ebenso wie viele andere Autoimmunkrankheiten, geht auch Hashimoto oft mit einem Vitamin-D-Mangel einher. Schon der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung liegt unter dem empfohlenen Mindestwert für das Sonnenvitamin – bei Hashimoto Betroffenen sieht es leider noch schlechter aus.
Dabei ist gerade Vitamin D wichtig für die Regulation des Immunsystems. Hier kann es sinnvoll sein, vor allem im Winter, etwas nachzuhelfen.
Eisen
Auch Eisen spielt eine wichtige Rolle für die Funktion von ebenjenen Enzymen, die das Immunsystem in der Schilddrüse fälschlicherweise attackiert. Eisenmangel wird bei Patienten mit Hashimoto besonders häufig festgestellt. Ursache hierfür kann aber auch die häufige Begleiterkrankung Zöliakie sein, durch die die Eisenaufnahme im Darm gehemmt wird.
Dennoch ist es gerade bei Hashimoto sinnvoll, sich beim Arzt auf einen Mangel untersuchen zu lassen. Ohne Anhaltspunkte supplementiert werden sollte aber auf keinen Fall – denn Eisenüberschuss ist ebenso schädlich wie Eisenmangel.
Jod
Wenn es um Jod geht, ist die Lage etwas komplizierter. Jod ist ein wichtiger Bestandteil der Schilddrüsenhormone: Tetrajodthyronin (T4) enthält gleich 4 Jodatome! Dennoch wirkt sich eine höhere Jodmenge nicht automatisch positiv auf den Krankheitsverlauf aus.
In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl ein leichter Mangel als auch ein leichter Überschuss die Menge der unerwünschten Antikörper im Blut vermehren konnte. Probanden, deren Jodaufnahme genau der Empfehlung entsprach, waren am Besten aufgestellt.
Der Durschnitt in Deutschland ist allerdings leicht unterversorgt – hier empfiehlt sich die Nutzung von jodiertem Speisesalz.
Sekundäre Pflanzenstoffe
Neben den Nährstoffen, die der Körper aufnehmen muss, um keine Mängel zu entwickeln, gibt es in Pflanzen noch viele weitere bioaktive Stoffe. Auch wenn sie nicht für die normale Körperfunktion gebraucht werden, entfalten sie ihre Wirkung im Körper und können Einfluss auf den Stoffwechsel nehmen.
Immunmodulierende Pflanzenstoffe nehmen Einfluss auf das Immunsystem und können dabei helfen, unerwünschte Abwehrreaktionen zu unterbinden:
Flavonoide (Äpfel, Birnen, Beeren)
Carotinoide (Karotten, Tomaten, Paprika)
Curcumin (Curcuma)
Quercetin (Tee, Preiselbeeren, Heidelbeeren)
Sulforaphane (Kohlsorten, Rettiche, Kresse)
Entzündungshemmende Pflanzenstoffe verringern Entzündungsprozesse im Körper und entlasten das Immunsystem:
Flavonoide (Äpfel, Birnen, Beeren)
Carotinoide (Karotten, Tomaten, Paprika)
Antioxidative Pflanzenstoffe helfen dabei, reaktive Sauerstoffspezies zu entschärfen und damit die Körperzellen zu schützen:
Flavonoide (Äpfel, Birnen, Beeren)
Carotinoide (Karotten, Tomaten, Paprika)
Phenolsäuren (Kaffee, Tee, Vollkornprodukte)
Glucosinolate (Kohlsorten, Rettiche, Kresse)
Sulfide (Zwiebel, Lauch, Schnittlauch, Knoblauch)
4. Unsere Empfehlungen bei Hashimoto
In Bezug auf Kohlenhydrate legen Studien nahe, dass Low Carb mit 50 g Kohlenhydraten pro Tag die beste Wahl für viele Betroffene ist. Sie ist die goldene Mitte zwischen den Vorteilen einer kohlenhydratarmen Ernährung und der Vermeidung von Kohlenhydratmängeln, die sich negativ auf die Symptome auswirken können.
Trotzdem sollte hier auf die Kohlenhydratquelle geachtet werden. Komplexe Kohlenhydrate aus Gemüse oder Vollkornprodukten: Top! 50 g Zucker am Tag: Flop. Leider treten bestimmte Nährstoffmängel und Unverträglichkeiten häufig gemeinsam mit der Hashimoto Thyreoiditis auf. Wie immer gibt es allerdings keine Wunderlösung, die auf alle zutrifft.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für eine Glutenunverträglichkeit höher ist, heißt das nicht, dass jeder darauf verzichten muss. Hier empfehlen wir, beim Arzt einen Unverträglichkeitscheck zu machen und im Blutbild den Spiegel verschiedener Nährstoffe zu überprüfen.
Auch ein AIP (Autoimmunprotokoll) kann dabei helfen, herauszufinden, ob der Verzicht auf bestimmte Lebensmittelgruppen eine Linderung der Symptome bewirkt.
Auch wenn die Hashimoto Thyreoiditis nicht über die Ernährung geheilt werden kann, hat sie doch einen großen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Denn von einer gesunden Ernährung profitiert nicht nur das Immunsystem sondern der ganze Körper!
Wenn du auch an einer Erkrankung der Schilddrüse leidest und jetzt richtig Lust hast, etwas für deine Gesundheit zu tun, lass dir von unseren Experten einen Plan erstellen und starte durch!
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Der Artikel wurde geschrieben von
Katharina Schipp
Autorin dieses Artikels ist Katharina Schipp. Sie hat drei Jahre Ernährungswissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert. Nun unterstützt sie seit Januar 2021 das Team Foodpunk im Kundensupport und der Redaktion.