Histamin-Intoleranz – die oft unerkannte Unverträglichkeit

Geschrieben von Juliana Gutzmann
10 Minuten Lesezeit
28. April 2021 zuletzt aktualisiert am 16. August 2023 von Annalena Gebhardt

Ein schöner Abend mit Freunden bei ein paar Gläsern Wein und einer großen Käseplatte… doch danach plagen einen Bauchschmerzen, Herzrasen oder ein juckender Hautausschlag mit Quaddelbildung. Eine mögliche Ursache: Eine Unverträglichkeit auf Lebensmittel, die Histamin enthalten oder triggern, genannt „Histaminintoleranz“. Der Begriff ist den meisten bekannt… was sich dahinter verbirgt, nur wenigen. Wir erklären es in diesem Artikel.

Inhaltsverzeichnis

    1. Was ist Histamin?

    Bei Histamin handelt es sich um ein biogenes Amin. Übersetzt heißt das: Ein Eiweißstoff, der ganz natürlich in unserem Körper vorkommt. z.B. in sehr vielen Gewebearten – vor allem in Haut, Lunge, Magen, Darm und im Zwischenhirn.

    Dabei ist es ein wahrer Allrounder. Als Gewebshormon unterstützt es die Muskelkontraktionen in den Atemwegen oder dem Darmtrakt. Bei allergischen Reaktionen sorgt es für Immunabwehr. Als Neurotransmitter (Botenstoff im Gehirn) beeinflusst es verschiedene Faktoren wie den Schlaf/Wach-Rhythmus, unseren Appetit und auch Lernfähigkeiten und Emotionen unserer Gedächtnisses. Die Liste ist endlos. An sich ist Histamin in unserem Körper also durchaus etwas Gutes.

    Histamin entsteht in den sogenannten Mastzellen (spezielle weiße Blutkörperchen) und wird mit Hilfe bestimmter Enzyme (Decarboxylasen) aus Aminosäuren gebildet. Diese Enzyme kommen in Bakterien, menschlichem, tierischem und pflanzlichem Gewebe vor. Das bedeutet: Histamin kann im Menschen selbst produziert werden, aber auch in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln entstehen bzw. enthalten sein.

    Und so cool wie die Natur es regelt: Wenn Histamin nicht mehr vom Menschen gebraucht wird, baut das Enzym Diaminoxidase (DAO) es im Dünndarm ab. Ein klassischer Kreislauf, der sich von selbst reguliert.

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    2. Funktionen von Histamin im Körper

    Histamin ist ein körpereigener Botenstoff, der im Organismus eine Fülle von Folgereaktionen auslöst. Er beeinflusst vor allem Blutgefäße, Bronchien, Magenschleimhaut und das zentrale Nervensystem. Als Signalüberträger versetzt Histamin den Körper zudem bei Infektionen und allergischen Reaktionen in Alarmbereitschaft.

    Histamin

    • Regelt die Darmbewegungen
    • Steigert die Magensäureproduktion
    • Erweitert die Blutgefäße und steigert dadurch lokal die Blutzufuhr
      • Dies führt zu einer Senkung des arteriellen Blutdruck und einer erhöhten Bildung von Adrenalin
    • Wirkt als Nervenbotenstoff im Gehirn, der unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert
    • Löst als Abwehrreaktion des Immunsystems Entzündungen im Körper aus
    • Beeinflusst u.a. unseren Appetit, Lernfähigkeiten und Emotionen unseres Gedächtnisses

    3. Vorkommen von Histamin in Nahrungsmitteln

    Histamin kommt in einigen pflanzlichen Lebensmitteln vor, wie zum Beispiel Spinat, Tomaten, Avocados und Erdbeeren. Außerdem enthalten leicht verderbliche tierische Lebensmittel wie Fisch, die mit entsprechenden Mikroorganismen belastet sind, ebenso Histamin. Nahrungsmittel, die durch Fermentation gewonnen werden – dazu gehören beispielsweise Käse, Wurst, Sauerkraut, Hefeextrakt, Wein und Bier. Dabei lassen sich in langsam reifenden Wurst- und Käsesorten (Rohwürste und Emmentaler) höhere Histaminwerte finden als beispielsweise in Gouda.

    Käse Histaminintoleranz
    Nicht jeder Käse ist bei Histamin-Intoleranz verträglich. Bei der Flex-Meal Funktion in der Foodpunk App, kann man sich zum Glück ganz easy eine Platte aus individuell ausgewählten Lebensmitteln zusammenstellen.

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    4. Was ist eine Histamin-Intoleranz?

    Eine Histamin Intoleranz (HIT) wird auch Histaminunverträglichkeit oder Histaminose genannt. Menschen, die an HIT leiden, vertragen kein Histamin oder andere biogene Amine (z.B. Serotonin, Tyramin oder Phenylethylamin). Symptome treten auf, wenn ein Ungleichgewicht zwischen der Histaminaufnahme, der Histaminproduktion und dem Histaminabbau besteht… der Körper also z.B. nicht mehr genug DAO produziert oder man durch Nahrungsmittel so viel Histamin zuführt, dass das System den Abbau einfach nicht mehr schafft. Dabei hat jeder Mensch eine andere Toleranzschwelle. Ein Wert zwischen 0,3 und 1,0 Nanogramm pro ml wird als normal angesehen. Es kann aber auch schon bei niedrigeren oder erst bei höheren Werten zu Beschwerden kommen. Je weiter das Histaminlevel steigt, desto schwerer werden die Symptome.

    5. Ursachen für eine Histamin-Intoleranz

    Es ist unmöglich eine einzelne Ursache für Histamin-Intoleranz festzumachen. Bei der Entstehung einer HIT spielen mehrere Auslöser eine Rolle – es liegt selten nur an der bloßen Aufnahme einzelner histaminreicher Lebensmittel. Folgende Faktoren können in Kombination zu einer Histamin Intoleranz führen:

    • Verzehr von histaminreicher Nahrung, Histaminliberatoren oder anderen biogenen Aminen, z.B. durch den Verzehr von reifen Bananen oder Spinat
    • Eine Allergie, Pseudoallergie oder Mastozytose (Veränderungen der Mastzellen und Mastzellenanzahl)
    • Hemmung oder Mangel des Enzyms Diaminoxidase (DAO) im Darm, welches für den Histaminabbau zuständig ist
    • Übermäßiger Alkoholkonsum: alkoholische Getränke enthalten entweder selbst Histamin oder verstärken die Darmdurchlässigkeit für Histamin
    • Infekte oder Entzündungen, die zu einer verstärkten Durchlässigkeit der Magen-Darmschleimhaut führen

    6. Typische Symptome bei Histamin-Intoleranz

    Die Symptome, ähneln oft denen anderer Erkrankungen. Dabei geht das Spektrum von Verdauungsbeschwerden bis hin zu Atembeschwerden. Außerdem kann es vermehrt zu Müdigkeit oder Erschöpfung kommen. Oft kann aber auch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit dahinterstecken, wie z.B. Fruktosemalabsorption. Symptome, die bei Ausschluss von anderen Unverträglichkeiten oder Allergien Indizien für eine Histamin Intoleranz sein können, sind z.B.:

    • Völlegefühl
    • Durchfall
    • Regelschmerzen
    • Kopfschmerzen/Migräne
    • Hautreaktionen (Quaddeln und Schwellungen)
    • Atemnot/ Asthmaähnliche Beschwerden durch Verengung der Bronchien
    • Kreislaufbeschwerden
    • Verstopfte Nase
    • Bauchkrämpfe
    • erhöhte Magensäure-Bildung

    7. Trigger bei der Histamin-Intoleranz

    Als Trigger werden Substanzen oder Mechanismen bezeichnet, die die Symptome der Histamin-Unverträglichkeit verstärken können. Ein Beispiel dafür sind Histaminliberatoren (= dem Körper von außen zugeführte Substanzen, die im Körper Histamin freisetzen). Sie enthalten zwar selbst keine großen Mengen an Histamin oder andere biogene Amine, bewirken aber eine Freisetzung von körpereigenem Histamin in den Mastzellen. Dadurch ergeben sich Symptome, die so aussehen, als hätte man etwas histaminhaltiges gegessen. Zu den Histaminliberatoren zählen bestimmte Medikamente (z.B. Aspirin) oder auch Lebensmittelzusatzstoffe, wie z.B. Azofarbstoffe, Geschmacksverstärker oder Konservierungsmittel. Histaminliberatoren finden sich auch vereinzelt direkt in Lebensmitteln, wie z.B. in Zitrus- oder Meeresfrüchten, Tomaten und Erdbeeren. Außerdem sind auch in Fisch und Fleisch biogene Amine enthalten. Diese hemmen die Enzymaktivität von DAO und stören den Körper dabei, das Histamin vollständig abzubauen. Es gibt Hinweise, dass auch Hormone einen Einfluss auf die Verträglichkeit von Histamin nehmen können. Frauen, die kurz vor ihrer Monatsblutung stehen, vertragen oft histaminreiche Nahrung deutlich schlechter als an den restlichen Monatstagen. Allerdings sind die Gründe noch nicht ausreichend erforscht.

    Zitronen Histaminintoleranz
    Zitrusfrüchte können häufig Histaminliberatoren sein und eine Freisetzung von körpereigenem Histamin in den Mastzellen bewirken.

    8. Erkrankungen mit vergleichbaren Symptomen

    Abhängig von den Symptomen kommen unterschiedliche Erkrankungen in Frage, die nichts mit einer Histamin-Intoleranz zu tun haben. Bei Kreislaufproblemen könnte eine Allergie auf ein bestimmtes Nahrungsmittel die Ursache für die Beschwerden sein. Bei einer laufenden oder verstopften Nase könnte es sich um einen allergischen Schnupfen handeln und bei Atemnot sollte man erstmal auf Asthma überprüft werden. Übelkeit bzw. Durchfall sind in der Regel klassische Anzeichen für Magen-Darmerkrankungen wie beispielsweise Magengeschwüre, Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption. In jedem Fall sollte ein Arzt zur Diagnose hinzugezogen werden – z.B. der Hausarzt.

    9. Eindeutige Diagnose einer Histamin-Intoleranz

    Bei der Diagnose Histamin-Intoleranz handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Es existiert kein eindeutiger Parameter, durch den man zuverlässig auf diese Unverträglichkeit schließen könnte. Daher müssen z.B. zuerst Allergien oder etwaige andere Lebensmittelunverträglichkeiten ausgeschlossen werden. Um herauszufinden, ob es sich bei den Beschwerden um eine Histamin-Intoleranz handelt, kann entweder ein Provokationstest oder eine Eliminationsdiät beim Arzt durchgeführt werden.

    Wie funktioniert ein Provokationstest?

    Bei einem Provokationstest wird dem Patienten eine sehr hohe Dosis Histamin verabreicht. Dies geschieht in Form einer Histamin-Lösung, die in einem Getränk serviert wird. Daneben werden noch andere Getränke, die kein Histamin enthalten, bereitgestellt, um dann feststellen zu können auf welches der Getränke der Patient mit Symptomen reagiert.

    Wie funktioniert eine Eliminationsdiät?

    Eine Eliminationsdiät dient dazu, den Zusammenhang zwischen der Aufnahme bestimmter Lebensmittel und dem Auftreten von Beschwerden herzustellen. Anfangs ist es wichtig, dass histaminhaltige Nahrungsmittel komplett vermieden werden. Anschließend können mit Unterstützung schrittweise wieder Lebensmittel in die Ernährung eingeführt werden.

    Diagnose Histaminintoleranz

    10. Ernährung bei Histamin-Intoleranz

    Insgesamt gilt: Der Histamingehalt kann sich ändern – je reifer und älter ein Lebensmittel, desto mehr Histamin ist wahrscheinlich enthalten. Ein Beispiel: fangfrischer Fisch histaminarm. Wird er nicht gekühlt, steigt sein Histamingehalt aber schnell an. Auch Gemüse und Fleisch ist (mit wenigen Ausnahmen) in seiner ursprünglichen Form meist histaminarm. Durch Einlegen (Konservierung), Gärung, Fermentation oder längere Lagerung kann es sich aber zu regelrechten „Histaminbomben“ entwickeln. Je frischer man etwas isst, desto besser bekömmlich ist es also für Menschen mit Histamin-Intoleranz. Außerdem sollten die Lebensmittel generell frei von Geschmacksverstärkern (Glutamat E 620-625) sein, da sie den Abbau von Histamin im Körper behindern. In diesem Zuge sollte man auch auf Hefe und Hefeextrakt sowie sonstige Geschmacksverstärker, Brühe, Chili und andere scharfe Gewürze, Essig (auch Balsamico und Weinessig) oder Sojasauce verzichten.

    Wichtig ist es, auch auf die Verzehrmenge und die Art der Zubereitung zu achten. Lebensmittel direkt aus dem Kühlschrank zu verzehren bzw. zu verwerten und nicht auf Zimmertemperatur erwärmen zu lassen, verhindert, dass größere Mengen Histamin aufgenommen werden. Das erneute Aufwärmen von Fisch- und Fleischgerichten in Mikrowelle und Ofen lässt den Histamingehalt steigen. Um zu verhindern, dass Lebensmittel „alt“ werden, ist es sinnvoll, sie im frischen Zustand einzufrieren.

    Da jeder eine individuelle Toleranzgrenze hat, sind die folgenden Empfehlungen nur allgemein – wir raten, individuell zu testen, was vertragen wird. Du möchtest Hilfe? Wir helfen dir gern mit einer persönlicher Beratung zu deinem Ernährungsplan.

    Zitronen Histaminintoleranz
    Heidelbeeren sind auch bei Histamin-Intoleranz meist gut verträglich. So ein Glück! 

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    Der Artikel wurde geschrieben von

    Juliana Gutzmann

    Juliana ist die Autorin dieses Artikels. Sie hat nach ihrem Pharmaziestudium in Münster und Regensburg an der AMD München Journalismus und Medienkommunikation studiert und ihren Bachelor in Fashion Management & Communication an der ECBM erfolgreich abgeschlossen. Nachdem sie ein Jahr beim SHAPE Magazin gearbeitet hat, wurde sie Teil des Foodpunk-Teams, wo sie von September 2020 bis Dezember 2023 die Science-Redaktion geleitet hat.

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