Fast jeder kennt die Tradition, sich vor Beginn des neuen Jahres gute Vorsätze zu überlegen. Man möchte mehr Sport machen, weniger auf’s Handy schauen, abnehmen, effektiver seine Aufgaben erledigen… die Liste ist endlos. Doch laut Statistik zieht nur jeder Fünfte diese neuen Gewohnheiten auch wirklich langfristig durch. Wer sich jetzt denkt „Andere haben einfach mehr Willenskraft als ich“, dem können wir sagen: Es liegt tatsächlich selten an der Person, ihrer Willenskraft oder Motivation. Gewohnheiten sind komplexe Mechanismen. Sie entlasten unser Gehirn und prägen unsere Routinen. Eine Routine entsteht, wenn der Kreislauf, der Menschen motiviert etwas zu tun, und die Belohnung dafür, proportional zueinander ausfallen. Zu kompliziert ausgedrückt? Wir erklären es hier.
Gewohnheiten sind weitgehend automatisierte Handlungen, die häufig wiederholt werden und oft Teil einer festen Routine sind wie z.B. die Kombination „Zähne putzen und ins Bett gehen“. Sehr vieles macht man so automatisch, dass man sich gar nicht mehr bewusst daran erinnern kann. Wer schon mal auf der Arbeit gesessen und sich gefragt hat, ob er die Haustür abgeschlossen oder die Herdplatte abgestellt hat, weiß, wovon wir reden. Egal wie sehr man in seinem Gedächtnis kramt… man kann sich partout nicht 100% sicher daran erinnern. Das liegt daran, dass das Abschließen der Haustür eine automatisierte Handlung ist. Das Gehirn bewegt sich wie auf Auto-Pilot – unsere Aufmerksamkeit ist für das Abschließen nicht erforderlich. Also denken wir in diesem Moment an andere Dinge, z.B. an eine zu erledigende Aufgabe im Büro.
Für unser Gehirn ist dieser Mechanismus super! Es muss sich nicht bei jeder Aktivität anstrengen, sondern kann Zeit und Kapazität nutzen, um bereits andere Aufgaben zu ordnen. Sehr effizient. Daher ermutigt das Gehirn uns, möglichst viele Gewohnheiten zu etablieren und belohnt uns dafür.
Laut Charles Duhigg (Autor von „The Power of Habit„) braucht man einen Kreislauf aus 4 Faktoren, um eine Gewohnheit zu etablieren. Diese sind: „Hinweis“, „Verlangen“, „Reaktion“ und „Belohnung“. Sie bedingen sich gegenseitig und ermutigen uns dazu, Handlungen erneut aufzugreifen.
Der 1. und 2 Step gehören zur sogenannten „Problem-Phase“ und spielen sich auf rein kognitiver Ebene ab. Das bedeutet, man macht sich zwar Gedanken, hat aber noch keine aktive Handlung ausgeführt. Trotzdem sind beide Punkte der Phase sehr wichtig, da sie mitbestimmen, wie ausdauernd das Ziel verfolgt wird.
Die zweite Phase nennt sich „Lösungs-Phase“. Denken reicht nicht mehr – jetzt wird gehandelt!
Klingt in der Theorie ganz easy, oder? Aber Achtung: Der Kreislauf kann nur funktionieren, wenn die einzelnen Komponenten „Hinweis“, „Verlangen“, „Reaktion“ und „Belohnung“ im richtigen Verhältnis zueinander stehen.
Ein Beispiel: Du möchtest unbedingt jeden Morgen 10 Minuten meditieren. Du bist nämlich in letzter Zeit immer so gestresst (Hinweis) und Meditation soll deinem Körper helfen, zu entspannen und fokussierter zu sein (Verlangen). Daher meditierst du als „Reaktion“ ab sofort jeden Tag. Irgendwie schaffst du aber kein gutes Timing und bist spät dran, dein Weg zur Arbeit wird hektisch… am Ende bist du fast mehr gestresst als vorher. Du bemerkst keinen oder kaum einen positiven Effekt und die „Belohnung“ fällt zu gering aus. Dein Gehirn signalisiert dir, dass es sich nicht lohnt weiterzumachen. Du gibst auf.
Entgegenwirken kann man diesem negativen Ende, indem man z.B. mit kleinen Aufgaben anfängt. So klein, dass sie keine große Hürde darstellen und sich easy einplanen lassen. Morgens aufstehen und 1 Min. atmen wird z.B. kaum dazu beitragen, das man zu spät kommt. Wenn man sich an diese Aktion gewöhnt hat, steigert man auf 2 Min. usw… bis die Gewohnheit 10 Minuten früher aufzustehen und zu meditieren ganz automatisch in den Alltag übergegangen ist.
Was genau „gute Gewohnheiten“ sind, ist ja grundsätzlich erstmal subjektiv. Meistens werden aber Aktivitäten, die zur Selbstoptimierung beitragen, als gute Gewohnheiten deklariert. Man nimmt sich vor, sich gesund zu ernähren, mehrmals die Woche Sport zu treiben, 8 Stunden pro Nacht zu schlafen, jeden Tag Nachrichten zu schauen oder ein Buch pro Woche zu lesen… und in Gedanken geht man dabei von 0 auf 100. Jeder, der schon einmal versucht hat seine Gewohnheiten von einem Tag auf den anderen zu verändern, weiß, wie schwer es ist das über einen längeren Zeitraum durchzuziehen. In der Wissenschaft wird bereits aktiv erforscht, wie man das Angewöhnen neuer Handlungen erleichtern kann. Ein wichtiger Faktor: die eigene Motivation. „Moment“ denkt man jetzt vielleicht. „Ich will doch unbedingt endlich abnehmen und in diese Jeans passen! Ich bin WIRKLICH motiviert! Trotzdem funktioniert es nicht und ich breche nach einer Weile ab.“ Tatsächlich ist die Regel: Dauert es sehr lange das Ziel zu erreichen schwächelt meist das Durchhaltevermögen. Tipp: Formuliere dir Teilziele und belohne dich für das Erreichen! Beim Beispiel Abnehmen könnte das ein neues Kleidungsstück sein, eine Massage oder ein Kinobesuch.
Soviel zur Theorie. Aber warum fällt es uns so schwer, neue Gewohnheiten zu etablieren? Die Antwort lautet: Biologie. Unser Gehirn wehrt sich aktiv dagegen, Handlungen durchzuführen, die es Kraft kosten. Ein Beispiel: Man hat sich im Fitnessstudio angemeldet und will ab sofort jeden Tag Sport machen… davor gehörte man aber zur Fraktion Couchpotato und hat NIE Sport gemacht. Die Aktion seine Tasche zu packen und aktiv ins Studio zu gehen, löst jeden Tag erstmal den Gedanken aus „Eigentlich hab ich gar kein Lust, aber ich muss ja jetzt wohl, oder?“. Das Gehirn nimmt wahr, wieviel Willenskraft es kostet und dass wir ewig darüber nachdenken… wie anstrengend für das Gehirn. Also löst es das Signal „Unbehagen“ aus, um uns zu sagen: Ins Fitnessstudio zu gehen kostet viel Kraft. Entscheidet man sich nun gegen das Studio, belohnt das Gehirn aktiv dafür, sich nicht weiter damit beschäftigen zu müssen. Man hat das Gefühl eine Last abgeworfen zu haben und fühlt sich richtig erleichtert. So ein listiges Gehirn. 😉 Beim nächsten Mal ist es jedoch NOCH schwerer sich ins Fitnessstudio zu bewegen… beim letzten Mal hat es sich schließlich gut angefühlt, nicht hinzugehen. Am Ende aufzugeben hat in diesem Fall also nur bedingt mit der eigenen Willenskraft zu tun, denn wir werden von unserem eigenen Gehirn sabotiert.
Was wir brauchen ist quasi ein „Brainwash“. Wir müssen unser Gehirn so umpolen, dass es die Aktion NICHT ins Fitnessstudio zu gehen als ungewöhnlich empfindet. Am Besten klappt das, indem man die neue Gewohnheit in der Anfangsphase möglichst häufig durchführt – ohne groß darüber nachzudenken. Die Optionen zu minimieren vereinfacht es. Man kann z.B. die gepackte Sporttasche mit auf die Arbeit nehmen und danach automatisch ins Studio fahren. Wenn man erstmal zuhause ist, könnte man auch putzen, essen, fernsehen, jemand ruft an… irgendwas ist doch immer und auf einmal ist es schon so spät… „Jetzt lohnt es sich auch nicht mehr.“ Kennt bestimmt fast jeder, oder? Am Anfang fällt es vielleicht schwer, aber wir versprechen: Wenn man die neue Gewohnheit eine Weile durchgezogen hat, merkt man, dass es sich merkwürdig und falsch anfühlt nach Hause zu fahren. Man hat das Bedürfnis sich zu bewegen und möchte lieber im Studio sein. Zack, gebrainwashed. 😉 Behält man diese Regelmäßigkeit bei, ist man auf dem besten Weg, den Gang ins Fitnessstudio zu einer Gewohnheit werden zu lassen.
„Schlechte Gewohnheiten“ erfolgen meist ohne bewusste Wahrnehmung. Ein klassisches Beispiel ist: Nägelkauen. Man ist gestresst oder steht generell unter viel Anspannung… der Körper versucht etwas von dieser Anspannung loszuwerden und initiiert eine Handlung: Wir kauen an den Nägeln. Man selbst nimmt es in diesem Moment gar nicht wahr. Erst im Nachhinein bemerkt man seine abgekauten Nägel und fragt sich „Wann ist denn das passiert?“.
Wer einmal versucht hat, sich eine schlechte Angewohnheit abzugewöhnen, weiß, wie viel Aufmerksamkeit es erfordert. Man muss in einer automatisierte Handlung bewusst das Gehirn einschalten – es geht quasi „wider die Natur“. Daher sind viele Zwischenschritte nötig, bis der Impuls zur gewohnten Handlung unterbrochen wird. Das Gehirn registriert das und denkt sich „Wie anstrengend, nicht mehr abschalten zu können, sondern bewusst abwägen und Entscheidungen treffen zu müssen. Geht ja gar nicht!“. Also schickt es das Signal „Unbehagen“. Wir werden quasi aktiv dazu ermutigt, uns nicht mehr mit dem Abgewöhnen der Gewohnheit zu beschäftigen. Langfristig schaden wir uns dann mit unseren schlechten Gewohnheiten – im vollen Bewusstsein, dass es uns nicht guttut.
Trotzdem wird empfohlen diese schlechten Gewohnheiten nicht einfach von einem Moment auf den anderen „abzuschaffen“, da sie eine wichtige Rolle im Umgang mit herausfordernden Situationen, wie Stress auf der Arbeit, spielen. Stattdessen soll man schlechte Gewohnheiten durch bessere Varianten ersetzen. Wenn man z.B. ein Stress-Esser ist und sich jedesmal nach einem harten Tag mit Schokolade auf dem Sofa verkriecht, macht es Sinn die Schokolade durch frische Himbeeren zu ersetzen. Wichtig ist dabei, dass man grundsätzlich gern Himbeeren isst. Unser Gehirn und die Macht der Gewohnheit lassen sich schließlich nicht „für dumm verkaufen“. 😉 Der alternative „Entstresser“ muss auf jeden Fall etwas sein, das der Gestresste gern mag oder gerne macht. So kann man sein Gehirn trainieren, eine schlechte Gewohnheit zu einer nicht ganz so schlechten Gewohnheit umzuwandeln und langfristig mit vielen kleinen Schritten vielleicht sogar eine gute Gewohnheit daraus machen.
Laut einem Großteil der Medien dauert es etwa 30 Tage, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Philippa Lally hat diese Aussage in einer Studie genauer untersucht und festgestellt, dass 30 Tage eher ein Durchschnittswert sind. In dem Experiment wurden 96 Erwachsene gebeten über einen Zeitraum von 12 Wochen eine neue Gewohnheit in ihren Alltag einzubauen. Wichtig war, die neue Gewohnheit jeden Tag zur selben Zeit und am selben Ort durchzuführen. Das Ergebnis: Im Schnitt dauerte das Entwickeln der Gewohnheit 66 Tage. Beim schnellsten Probanden dauerte es 18 Tage, beim langsamsten sogar 254 Tage!
Auch hier gilt also die Regel: Es gibt keine Regeln. Jeder ist individuell und jeder eignet sich neue Gewohnheiten in seinem eigenen Tempo an. Schau daher nicht nach rechts oder links, wenn du ein Ziel hast, sondern schau nur auf dich und mach dir deine eigene Timeline. Denn egal, ob du 18 oder 254 Tage brauchst… am Ende hast du es geschafft!
Hast du jetzt richtig Lust, dir eine neue Gewohnheit anzueignen, wie z.B. eine gesunde Ernährung, die dich mit Energie durch den Tag bringt? Dann lass dir von unseren Experten einen Ernährungsplan erstellen und starte durch!
Autorin: Juliana Gutzmann